Connection is the opposite of addiction.

Ich setze mich zum ersten Mal mit dem Thema Sucht auseinander, dieser Beitrag ist also eine Momentaufnahme vom Hier und Jetzt meiner Gedanken. Dieser Beitrag schildert persönliche Erfahrungen und ist keine Expert:innenmeinung. Auch in Wien finden regelmäßig Meetings für Anonyme Alkoholiker:innen statt, mehr Infos gibt es hier. Allen Betroffenen wünsche ich alles Gute auf ihrem Weg der Genesung, der viel Kraft erfordert.

Ich begleite derzeit einen Freund bei seinen ersten Tagen der Genesung von seiner Suchterkrankung. Ich setze mich zum ersten Mal mit dem Thema auseinander und bewundere die Menschen, die ich seitdem kennengelernt habe, die selber süchtig waren und auf dem Weg der Genesung sind.

„Connection is the opposite of addiction“: ein Satz, den wohl viele anonyme Alkoholiker:innen kennen. Zumindest hier in London, wo ich gerade bin, ist er weit verbreitet. Jede Woche finden hier über 300 Treffen statt, wo Suchterkrankte hingehen können. Ich habe mir unter dem Satz am Anfang nicht viel vorstellen können. Je länger ich mich damit beschäftige, umso mehr denke ich, dass wir alle viel von dem Satz lernen können.

Wer der Sucht verfällt, findet in der Substanz oder der Aktivität die Verbindung. Wenn der Alltag überwältigt, bringt der Rausch die Gedanken zum Stillstand. Wenn man nicht in Verbindung mit dem eigenen Alltag steht, findet die Verbindung und den Spaß vielleicht im Rausch. Die Verbindung kann eine zwischen Personen sein, aber auch zu Aktivitäten, wie der Arbeit. Und von diesem Satz konnte ich auch viel für mich selber ableiten bzw. denke ich, dass viele von uns nicht in Verbindung mit uns selbst stehen. Damit möchte ich auf keinen Fall kleinreden, was Menschen passiert ist, die dann der Sucht verfallen oder was sie durchmachen. Aber wir alle verfallen dem Alltag und wir leben oft nicht mehr, sondern erledigen To-Dos. Ich selber bin in den letzten Monaten dem Alltag verfallen und habe die Verbindung zu mir selber außer Acht gelassen. Das Ergebnis: die Depression wurde wieder schlimmer, die Gedanken über den Sinn des Lebens stärker, und kompensierte die Leere tagsüber mit Fortgehen am Abend.

Es ist daher wichtig, Beziehungen und Aktivitäten, die uns gut tun, aufrecht zu erhalten, zu pflegen und zu intensivieren. Ähnliche Schlussfolgerungen habe ich auch durch die Therapie wegen meiner Borderline-/Depressionserkrankung gemacht. Wichtig ist wohl aber auch, dass man die Kontrolle über die Verbindung behält und nicht in die emotionale Abhängigkeit gerät: wenn ich zum Beispiel meinen Selbstwert davon abhängig mache, wie eine andere Person mich sieht (dazu habe ich im Buch „Trauma und Beziehungen“ von Verena König gelesen, sehr empfehlenswertes Buch). Der Begriff Co-Abhängigkeit existiert auch in der Suchttherapie, mit einer anderen Bedeutung, und ist vor allem für Angehörige von Suchterkrankten wichtig.

Dem Freund, den ich derzeit begleite, ist in den letzten Wochen viel passiert. Vorletzte Woche ist ihm durch ein einschneidendes Ereignis klar geworden, dass er in den Entzug muss. Tagelang hat er sich nicht gemeldet, was bei mir viel getriggert hat. In den letzten Jahren habe ich zwei Freunde verloren, wo ich die Signale der Suizidgefahr nicht gesehen habe. Ich habe daher bestimmt auch viel von meiner eigenen Geschichte und meinen eigenen Erfahrungen auf ihn projiziert, habe mir jedenfalls noch nie so viele Sorgen um jemanden gemacht. Und da ist mir aber auch klar geworden, wie es meiner Familie und meinen Freunden in den letzten Jahren wohl ging, als es mir schlecht ging und als ich versucht hatte, mir mein Leben zu nehmen. Ich bedaure, dass sie das durchmachen mussten und bin ihnen gleichzeitig unglaublich dankbar für ihre Unterstützung durch alles, was ich durchgemacht habe und durchmache. Und ich möchte nie wieder, dass sie sich so Sorgen um mich machen.

Hier ist noch eine Mail von einem Experten, der mir in den letzten Tagen als Angehörige eines Suchterkranken viel geholfen hat:

„In terms of helping your friend, that’s a tough spot to be in. If you push too much, then he’ll likely feel uncomfortable (possibly shameful) for needing help and feeling like he’s a burden. I think the sweet spot is keeping a focus on the fact that you’re there to support him, without judgement…and try to keep the communication up, letting him know that it’s on his terms, but also letting him know that not hearing from him make you anxious, so ask if he would at least agree to a minimum amount of contact each day (i.e. „Please at least send me a text or call me every 12 hours so I know you’re safe.“)

Keep the focus on support & compassion, not on how he’s hurting himself or how important it is for him to stop, unless the conversation naturally goes there. It’s all about compassion & empathy at this point, letting him know that you care, and you’ll be there to listen, but you will NEVER judge him for struggling. Unfortunately, like most vulnerable animals, when we feel judged, vulnerable, and lack confidence, we tend to isolate and hide, but ends up making things worse with addiction because we tend to ruminate over all the things we regret and all of the self-criticisms we have, which only make the shame worse, which usually leads to an increase in using, not a decrease. „

Diese Tage sind also voller lehrreicher Erkenntnisse. Mein Freund ist sehr stark, geht mit dem ganzen sehr gut um, besucht jeden Tag AA-Meetings und hat auch schon einen Sponsor gefunden. Ich wünsche allen Betroffenen und Angehörigen viel Kraft auf ihrem Weg der Genesung und möchte in Zukunft daran arbeiten, das Thema Sucht zu entstigmatisieren und Betroffene zu unterstützen.

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